Seelisch, Aktuelles

repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS)

 

Neuronavigierte rTMS

Wir führen neuronavigierte repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS) zur Behandlung therapieresistenter Depressionen durch.

 

Informationen zur neuronavigierten repetitiven transkraniellen Magnetstimulation (rTMS)

Die repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS) ist eine sichere und effektive, ambulant durchführbare Methode zur Behandlung einer Depression bei Erwachsenen, wenn antidepressive Medikamente nicht geholfen haben. Es gibt nur wenige Kontraindikationen und keine systemischen Nebenwirkungen. Diese Informationen sollen Ihnen helfen zu verstehen wie rTMS wirkt, wann sie eingesetzt werden kann und welche Chancen und Risiken damit verbunden sein können.

 

Wie wirkt rTMS?

Ein Magnetfeld aus einer stromdurchflossenen Spule stimuliert durch den Schädel (transcraniell) die Nervenzellen in der Hirnrinde. Das magnetische Feld ist in Stärke und Art ähnlich dem bei einer Magnetresonanztomographie (Kernspintomographie, MRT) verwendeten Feld. Es werden wiederholt (repetitiv) kurze elektromagnetische Reize abgegeben, die abhängig von der gewählten Frequenz anregende oder hemmende Effekte auf die stimulierten Hirnbereiche und mit ihnen verbundenen neuronalen Netzwerke haben. Obwohl die biologische Wirkung der rTMS nicht vollständig geklärt ist geht man prinzipiell davon aus, dass bestimmte Hirnbereiche bzw. Netzwerke bei Depressivität in ihrer Aktivität reduziert sind und durch aktivierende Stimulation dieser Bereiche die Krankheitsbeschwerden gebessert werden können. Üblicherweise wird ein Bereich über der linken Schläfe stimuliert, der sogenannte dorsolaterale präfrontale Kortex (DLPFC). Der zu stimulierende Hirnbereich wird bei uns präzise anhand des individuellen Hirnscans (Kernspintomographie des Gehirns) bestimmt und die Spule mittels sogenannter Neuronavigations-Technik genau ausgerichtet. Es gibt verschiedene Protokolle bzw. Möglichkeiten die Stimulation durchzuführen, die sich beispielsweise in der Dauer der einzelnen Therapieeinheiten unterscheiden. Wissenschaftliche Untersuchungen führten bereits 2008 zur Zulassung der rTMS bei therapieresistenten Depressionen in den USA. Auch in der deutschen Leitlinie zur Depressionsbehandlung ist sie als nichtpharmakologische Therapiemöglichkeit seit 2015 aufgeführt.

 

Wann wird rTMS eingesetzt und was für Alternativen gibt es?

Eine Depression ist eine behandelbare Erkrankung, aber bei einigen Patienten sind die Standardtherapien nicht ausreichend wirksam. rTMS kann helfen, wenn mehrere antidepressive Medikamente und Psychotherapie nicht geholfen haben. Neben weiteren Medikamenten stellen Elektrokonvulsionstherapie (EKT), Vagus-Nerv-Stimulation und tiefe Hirnstimulation mögliche Alternativen dar. Zur Behandlung mit rTMS ist weder eine Narkose notwendig, noch löst sie epileptische Anfälle aus, es ist auch keine Operation oder Implantation von Elektroden notwendig.

Neben depressiven Episoden kann rTMS zur Behandlung von neuropathischen Schmerzen angewendet werden und wird zur Anwendung bei einer Vielzahl anderer neurologischer und psychischer Erkrankungen untersucht und eingesetzt (u.a. andere Schmerzerkrankungen, Rehabilitation nach Schlaganfällen, Fatigue, Fibromyalgie, Suchterkrankungen).

 

Wie wird die rTMS durchgeführt?

Zur Behandlung wird eine Serie von Stimulationen in der Praxis durchgeführt. Üblicherweise erfolgen diese täglich, fünfmal in der Woche, für vier bis sechs Wochen. Vor der ersten Behandlung muss die optimale Stimulationsstelle und Stimulationsstärke (Motorschwelle) bestimmt werden, der erste Stimulationstermin kann daher 60 Minuten dauern. Vor jeder Behandlung müssen metallische und magnetempfindliche Gegenstände (z.B. Schmuck, Schlüssel, Kreditkarten, Hörgeräte) abgelegt werden. Wegen der lauten Klickgeräusche während der Behandlung sollten Ohrstöpsel getragen werden, da die Behandlung dadurch angenehmer und sicherer ist. rTMS erfordert weder Sedierung noch Narkose, man ist während der Behandlung wach und sitzt bequem in einem speziellen Behandlungsstuhl.

Die Magnetspule wird seitlich am Kopf platziert, bei Einsatz von Neuronavigation vorher noch ein Stirnband angelegt. Zunächst muss die sogenannte Motorschwelle bestimmt werden, wozu die Intensität der Stimulation langsam erhöht wird, bis die Hand gerade zuckt. Jeder hat eine individuelle Motorschwelle und diese bestimmt die Energie, die bei der eigentlichen Behandlung eingesetzt wird. Während der Bestimmung der Motorschwelle und während der späteren Behandlung hört man ein klickendes Geräusch und spürt ein Klopfen am Schädel, mitunter auch ein leicht unangenehmes Gefühl während der Stimulation und kurz danach.

Nach Bestimmung der Motorschwelle wird die Therapiestelle aufgesucht, die weiter vorne gelegen ist, dazu setzen wir Neuronavigation ein, so dass die Stelle anhand des individuellen Hirnscans millimetergenau bestimmt werden kann. Meist handelt es sich bei der Behandlung einer Depression um den sogenannten linken DLPFC. Die Behandlung erfolgt dann durch eine Serie von Pulsen mit Pausen dazwischen, je nach Protokoll zwischen 3 und 40 Minuten. Bei den Folgeterminen ist die Bestimmung der Motorschwelle nicht mehr nötig, es muss lediglich die korrekte Stelle aufgesucht werden. Während der Behandlung ist man unter Beobachtung und die Behandlung kann jederzeit unterbrochen werden.  Nach der Behandlung können die Alltagstätigkeiten wieder aufgenommen werden, es bestehen durch die Behandlung selbst typischerweise weder Arbeitsunfähigkeit noch eine Beeinträchtigung der Verkehrstüchtigkeit.

 

Welche Risiken und Nebenwirkungen können auftreten?

rTMS gilt als sichere Behandlungsmethode und wird seit über 10 Jahren international eingesetzt. Wie bei jeder medizinischen Prozedur können dennoch Nebenwirkungen auftreten.

Je nach Stärke und Ort der Stimulation kann es während der Behandlung zu einem Kribbeln oder Klopfen auf der Kopfhaut, schmerzhaftem Gefühl an der Stimulationsstelle, Zucken im Gesicht, sowie im Anschluss zu Kopf- oder Nackenschmerzen kommen. Diese Beschwerden können bei bis zu einem Drittel der Patienten auftreten und werden in der Regel innerhalb der ersten Tage besser. Wenn notwendig können die Stimulationsparameter entsprechend angepasst werden, daher sollten Nebenwirkungen unbedingt berichtet werden. Wenn notwendig können die Kopfschmerzen mit üblichen Schmerzmitteln wie z.B. Ibuprofen oder Paracetamol behandelt werden. Wegen der Geräusche der Stimulation sollte während der Behandlung ein Gehörschutz getragen werden. Es gibt keine Berichte von anhaltenden Hörstörungen bei korrekt angewandtem Gehörschutz, daher sollte das Personal bei unsicher sitzendem Gehörschutz sofort verständigt werden.

Schwere Nebenwirkungen sind sehr selten, dazu gehören epileptische Anfälle und manische Episoden.

Es sind keine Nebenwirkungen auf kognitive Fähigkeiten (Gedächtnis, Denken, Konzentration) bekannt.

rTMS hilft nicht allen Patienten, daher besteht das Risiko, dass sich die Depression verschlechtert. Entsprechende Symptome sollten umgehend dem zuständigen Personal berichtet werden.

Ob rTMS in der Schwangerschaft ein Risiko darstellt ist nicht bekannt, sie sollte daher nicht bei Schwangeren eingesetzt werden.

Es gibt keine bekannten Langzeitschäden durch rTMS, allerdings muss dabei berücksichtigt werden, dass es sich um eine relativ neue Therapieform handelt.

 

Es gibt nur wenige medizinische Gründe, wegen derer rTMS nicht oder nur unter bestimmten Sicherheitsvorkehrungen durchgeführt werden darf, dazu gehören u.a. metallische Implantate (z.B. Aneurysma-Clips und -Coils, Stents in Gehirn oder Hals), Cochlea-Implantate, Hirnschrittmacher, Herzschrittmacher, frühere Operationen an Gehirn oder Wirbelsäule, Schwangerschaft und Epilepsie.

 

Die Durchführung der rTMS ist keine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen, sondern wird nach der Gebührenordnung für Ärzte direkt mit den Patienten abgerechnet. Zur Behandlung einer therapieresistenten Depression werden etablierte und evidenzbasierte Therapieprotokolle eingesetzt, die zwischen 20 und 30 Behandlungstage umfassen. Je nach angewendetem Protokoll dauert ein Behandlungstermin ca. 15 bis 45 Minuten und kann prinzipiell zu jeder Tageszeit stattfinden. Die rTMS-Behandlung kann als Ergänzung zu den Standardtherapien eingesetzt werden, Änderungen der laufenden Medikation sind meist nicht notwendig.

 

Ansprechpartner in der Praxis hierfür ist Dr. Fischer.