Erkrankungen, Aktuelles

COVID19 (SARS-CoV-2) Impfung und Neuromuskuläre Erkrankungen

COVID-19 und Menschen mit neuromuskulären Erkrankungen

Empfehlungen der World Muscle Society – Impfstoffe

Die WMS berät seit Beginn der COVID-19-Pandemie Menschen mit neuromuskulären Erkrankungen und deren Gesundheitsdienstleister. Dieses Dokument beschäftigt sich mit Fragen zu den neu entwickelten Impfstoffen gegen das Coronavirus SARS-CoV2, die von Menschen mit neuromuskulären Erkrankungen gestellt werden. Dies ist ein sich schnell entwickelndes Feld, so dass die WMS den Inhalt dieses Dokuments in regelmäßigen Abständen überprüfen wird.

Hintergrund:

Die Bekämpfung der SARS-CoV2-Pandemie hängt von einem weltweiten Impfprogramm ab, mit dem die Wahrscheinlichkeit einer COVID-19-Infektion verringert werden soll.Seit Beginn der Pandemie vor 12 Monaten wurde eine g roße Anzahl von Impfstoffen entwickelt. Laut dem New York Times Coronavirus Vaccine Tracker befinden sich derzeit 63 Impfstoffe in klinischen Studien am Menschen, und bis zu diesem Datum haben 18 die letzten Testphasen erreicht (Phase 3-Studien).

Die derzeit führenden Impfstoffe bieten verschiedene Wirkmechanismen:

  • mRNA-basierte Impfstoffe (Moderna und Pfizer/BioNTech ) fördern eine Immunantwort gegen virale Spike-Proteine
  • Impfstoffe auf Adenovirus-Basis (CanSino , Gamaleya , Johnson & Johnson, Oxford-AstraZeneca), die die Immunantwort gegen Coronavirus über genetisch veränderte Adenoviren erhöhen
  • Impfstoffe auf Proteinbasis ( Vector, Novavax , andere) basieren auf einer ausgelösten Immunantwort gegen verschiedene im Coronavirus enthaltene Proteine
  • Inaktivierte Impfstoffeauf Virusbasis ( Sinopharm- Peking, Sinopharm-Wuhan, Sinovac ) basierend auf der Reaktion auf inaktiviertes Coronavirus

Impfstoffe der Firmen BioNTech/Pfizer und Moderna wurden per Notfall-Zulassung durch die amerikanischen Zulassungsbehörde FDA, kanadischen und britischen Aufsichtsbehörden und europäischen Zulassungsbehörde (EMA) geprüft und genehmigt. Die Genehmigung folgte für den BioNTech/Pfizer-Impfstoff für Menschen über 16 Jahre. Beide Impfstoffe wurden an gesunden Probanden ohne schwerwiegende Grunderkrankung getestet und zeigten bei diesen eine Wirksamkeit von über 90% bei der Verhinderung einer SARS-CoV2-Infektion. Die Nebenwirkungen waren gering und bestanden aus lokalen Schmerzen, Fieber, Schüttelfrost und Muskelkater über Tage. Impfprogramme befinden sich derzeit entweder in Vorbereitung oder in einem frühen Stadium. Andere Impfstoffe haben in bestimmten Ländern (z.B. Sinopharm- Impfstoffen in den Vereinigten Arabischen Emiraten und in Bahrain) oder in bestimmten Bevölkerungsgruppen die Zulassung erhalten.

 

COVID-19-Impfung und neuromuskuläre Erkrankungen

Die folgenden Fragen werden am häufigsten von Menschen mit neuromuskulären Erkrankungen sowie von ihren Betreuern und Ärzten gestellt:

 

  1. Bin ich berechtigt geimpft zu werden? Die Verteilung der Impfstoffe erfolgt in den meisten Ländern nach einem nationalem Impfprogramm, bei dem die Impfung zunächst schutzbedürftigen Gruppen angeboten wird, bei denen es sich im Wesentlichen um ältere Menschen und schutzbedürftige Personen handelt, die aufgrund schwerer zugrundeliegenderGesundheitszustände gefährdet sind, sowie möglicherweise ihre Pflege-personen. Die nationalen Websites der Gesundheitsbehörde oder des Gesundheitsministeriums enthalten detaillierte Informationen und Richtlinien zu Verteilungsprozessen. Hier werden jedoch möglicherweise neuromuskuläre Erkrankungen nicht ausdrücklich erwähnt werden. Darüber hinaus sind je nach Zulassung der Impfstoffe möglicherweise nur bestimmte Altersgruppen zu einer Impfung zugelassen.
  2. Bin ich als neuromuskulär Erkrankter in einer Prioritätsgruppe für Impfungen? Die meisten Menschen mit neuromuskulären Erkrankungen werden als Teil der „Risiko-Gruppe“ eingestuft und haben sich daher 2020 strengen Vorbeugemaßnahmen unterzogen, um eine COVID-19 Erkrankung zu vermeiden. Als „Hochrisiko-Gruppe“ definiert die WMS neuromuskulärePatienten mit Heimbeatmung und Herzerkrankung (siehe dazu Dokument „COVID -19 und Menschen mit neuromuskulären Störungen“, Absatz 1), die bei einer Impfung eine hohe Priorität haben sollte. Dies erfolgt aber gemäß den Richtlinien und Definitionen der nationalen Gesundheitsbehörden, daher variiert diese von Land zu Land. Wir empfehlen allen Menschen mit neuromuskulären Störungen, mit ihren Gesundheitsdienstleistern in Kontakt zu bleiben und ihren Status und die Impfberechtigung ihrer Pflegepersonen zu klären, sobald in ihrem Land ein Impfprogramm verfügbar ist. Mit der aktualisierten Impfverordnung vom 11.3.2021 sind die Muskeldystrophien und vergleichbaren Muskelerkrankungen explizit benannt und der Gruppe der hohen Priorität (§3, Abs. 2, Buchstabe F ImpfV) zugeordnet.
  3. Kann ich geimpft werden, sobald ein Impfstoff zugelassen ist, oder besteht das Risiko, dass ich durch die Impfung COVID-19 oder andere schwerwiegende Nebenwirkungen bekomme? Es besteht kein Risiko COVID-19 aus den derzeit zugelassenen Impfstoffen oder in der Endphase der Entwicklung zu entwickeln. Uns sind keine Lebendimpfstoffe bekannt, die derzeit entwickelt werden. Die Nebenwirkungen bei den Probanden waren mild und vorübergehend und werden durch die Vorteile aufgewogen. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass neuromuskuläre Patienten in dieser Hinsicht unterschiedlich sein sollten.Bei bestimmten Impfstoffen kann es im Hinblick auf bestimmte neuromuskuläre Behandlungen, insbesondere in klinischen Studien, Einschränkungen hinsichtlich des Zeitpunkts der Impfung und Unsicherheiten hinsichtlich der Wechselwirkung zwischen der Impfung und der neuromuskulären Behandlung geben. Menschen mit neuromuskulären Störungen, die solche Behandlungen erhalten, sollten sich an ihren neuromuskulären Spezialisten oder ihr neuromuskuläres Zentrum wenden, der sich an das Arzneimittelunternehmen wenden kann, das die Behandlung anbietet.
  4. Wird meinneuromuskulärer Zustand vom Wirkungsmechanismus der Vakzine beeinflusst? Die Wirkungsmechanismen der bisher zugelassenen Impfstoffe bedeutet nicht, dass neuromuskuläre Erkrank te ein erhöhtes Risiko für Nebenwirkungen ha ben. Auch neuromuskuläre Erkrankungen, an denen das Immunsystem nicht beteiligt ist, sollten durch die Wirkungsweise des Impfstoffs nicht beeinträchtig werden. Alle bisherigen Studien wurden jedoch nur an gesunden Menschen im Alter von 12 bis 85 Jahren durchgeführt. Soweit uns bekannt ist, hatte keiner eine neuromuskuläre Erkrankung oder neuromuskuläre Symptome, daher gibt es keine Hinweise auf spezifische Auswirkungen fürMenschen mit neuromuskulären Erkrankungen oder Auswirkungen auf den neuromuskulären Krankheitszustand durch die Impfung.
  5. Ich nehme Medikamente, die das Immunsystem beeinflussen (Immunsuppressiva). Kann ich geimpft werden? Ja. Es besteht kein Infektionsrisiko durch die zugelassenen oder in der Entwicklung befindlichen Impfungen. Wir wissen jedoch noch nicht, ob eine Immunsuppression möglicherweise die Wirksamkeit der Impfung beeinträchtigt. Daher sind nach der Impfung weiterhin Vorsichtsmaßnahmen (Tragen einer Maske, soziale Distanzierung) erforderlich.
  6. Was sind derzeit die wichtigen Unbekannten? Wenn das Immunsystem entweder durch die neuromuskuläre Erkrankung selbst oder durch ihre Behandlung beteiligt ist, ist nicht sicher, ob der Impfstoff genauso wirksam ist wie in den Studien. Dies bedeutet nicht, dass der Impfstoff möglicherweise nicht gut ist, aber es bedeutet, dass Vorsicht und Maßnahmen zur Vermeidung von Infektionen wie das Tragen von Masken und soziale Distanzierung weiterhin wichtig bleiben.

Derzeit gibt es nicht genügen Anhaltspunkte dafür, ob ein bestimmter Impfstoff dem anderen vorzuziehen ist. Das gesamte Spektrum der Nebenwirkungen, einschließlich der selteneren, wird erst im weiteren Verlauf des Impfprogramms bekannt sein. Bisher gab es jedoch keine Hinweise auf Beweise für eine Position, in der die Impfung abgelehnt wurde.

 

Autoren dieses Dokuments:

Maxwell S. Damian, PhD, FNCS, FEAN und Mitgliedern des Executive Board der WMS (www.worldmusclesociety.org) in Zusammenarbeit mit Mitgliedern des Editorial Board of Neuromuscular Disorders, dem offiziellen Journal des WMS.

Übersetzung des Dokuments 23.12.2020:Prof. Dr.med. Benedikt Schoser, Friedrich-Baur-Institut, LMU Klinikum München

weiterführende links

https://www.dgm.org/aktuelles/corona-ueberblick-hilfreiche-informationen-links/corona-schutzimpfung

https://neurologie-neuer-wall.de/corona-virus-und-neuromuskulaere-erkrankungen/